Lars Wernecke
Intendant Theaterregisseur Theaterautor

2018 Julie

Julie
Kammeroper von Philippe Boesmans

Meininger Staatstheater 2018

Musikalische Leitung: Mario Hartmuth
Inszenierung: Lars Wernecke
Bühnenbild und Kostüme: Helge Ullmann

Mit Carolina Krogius, Mariàn Krejcik, Monika Reinhard










(c) Fotos Marie Liebig


Pressestimmen

[...] Der Belgier Philippe Boesmans hat den Stoff vor ebenfalls dreizehn Jahren zu einem reichlichen Einstünder verdichtet. Was Guido Huonder einst mit präzisem psychologischen Spiel in physischer Enge erreichte, schafft Regisseur Lars Wernecke mit ebenso großer Leidenschaft für seine Figuren - und mit Musik. [...] In der Oper trägt sie nicht die Handlung, sondern fungiert als eine Art Emotionsverstärker - und sie ersetzt die enge Wohnung des Schauspiels durch eine effektvolle dramatische Klangkulisse. Kein Wunder also, dass sich der ein oder andere bei der Premiere am Donnerstag in einem spannenden Krimi wähnte: Die Musik erzählt sehr stringent von der Annäherung, den Träumen und schließlich der unausweichlichen Tragödie - Julies Selbstmord. Allerdings: Diese temporeiche Dramatik müsste eigentlich die Figuren unwirklich erscheinen lassen, denn ihre menschlichen Facetten verblassen, je weniger Zwischentöne hörbar sind. [...] Lars Wernecke inszeniert sozusagen ein Schauspiel gegen die Musik, in dem sich die Sänger hineinsteigern wie in einen Rausch. Nur so kann er sie dazu treiben, die Musik auch im Spiel zu begründen. Sodass es scheint, wie es ist: Das Drama macht die Musik, nicht umgekehrt. Carolina Krogius, das betörende Mädchen, die rasende Furie, die bemitleidenswerte Kreatur, zeigt in dieser dichten Atmosphäre ein sensationelles Spiel - so hat man sie in Meiningen noch nicht gesehen. Mariàn Krejcik gibt den smarten Fiesling, den Unmenschen, den Gefühlstoten. Und Monika Reinhard balanciert ihren kleineren Part wunderbar zwischen Beherrschung und Liebe. Selbst in jenem Moment, bevor sich Julie das Messer an den Hals setzt, ist Carolina Krogius der Musik gewachsen. Da kann die Musik noch so toben: Stets scheint es, als sei sie nur die Antwort auf das, was sich in Julies Gesicht lesen lässt. [...]

Auszug aus dem Freien Wort von Peter Lauterbach vom 27.1.2018

[...] Wir wissen, dass diese Mittsommernachtsaffäre voller ungezügelter Leidenschaft böse endet. Fräulein Julie, das Grafentöchterchen, wird das von ihrem unstandesgemäßen Liebhaber in die Hand gedrückte Rasiermesser nehmen und sich die Halsschlagader aufschneiden: in August Strindbergs Tragödie von 1889 wie in der Kammeropernadaption des belgischen Komponisten Philippe Boesmans von 2005, die jetzt in einer Inszenierung von Lars Wernecke in den Meininger Kammerspielen zu sehen ist. Julie entkommt ihrer Geschichte und ihrem Milieu nicht. Und der Diener Jean ebenso wenig. Er wird seinen Herren weiterhin die Stiefel putzen. Und das Publikum des Jahres 2018 rauft sich die Haare, wenn es sich auf das unfassbare, unberechenbare Für und Wider der Klangwelten einlässt, das Leidenschaft, Hoffnung und Verzweiflung der Betroffenen ausdrückt: „He, Julie, warum tust du das? Das ist der Typ doch gar nicht wert!“ Oder: „Zieht doch zu dritt in die Schweiz und lebt glücklich und zufrieden bis an euer Lebensende.“ Aber so, wie Mezzosopranistin Carolina Krogius als Julie, Sopranistin Monika Reinhard als Magd Kristin und Bariton Marián Krejcík als Jean verdammt nahe am Publikum die Charaktere mimen und in Sangesworte fassen, wissen wir, dass das nicht geschehen wird. Die drei sind im Herrschafts-Gesinde-Milieu des 19. Jahrhunderts gefangen, wo ein reicher Herr zwar jederzeit ohne gesellschaftliche Ächtung eine Magd verführen konnte, eine Dame jedoch im umgekehrten Fall sofort zur „Hure“ degradiert wurde. Trotzdem sind einige der Irrungen, Wirrungen und Wallungen im Stück (Libretto von Luc Bondy und Marie-Louise Bischofsberger) so fundamental, dass wir sie sofort wiederkennen, selbst wenn die Protagonisten in fremden Gewändern auftreten und sich die Tragödie im nahezu abstrakten Raum ereignet (Helge Ullmann entwarf blutrote Elemente der Gesindeküche, mit kantigen weiße Säulen und eine Balustrade an der Seite, hinter der sich das Orchester positioniert). Wir verfolgen hautnah, wie die Menschen zögern und hoffen. Wie sie kokettieren und verführen. Wie sie mit dem Feuer spielen. Wie aus Begehren Begierde wird und Hass und Verzweiflung. [...] Wir verfolgen hautnah, wie die Menschen zögern und hoffen. Wie sie kokettieren und verführen. Wie sie mit dem Feuer spielen. Wie aus Begehren Begierde wird und Hass und Verzweiflung. Wie sie dulden und sich dem fügen, was sie ihr Schicksal nennen. Wie das in ihnen rumort, was sie in Kindertagen prägte. Wie die einen Leid ignorieren und die anderen daran zerbrechen und dritte sich in Zynismus suhlen. Wie sie sich an ihren kleinmütigen Glauben klammern, an ihre Träume, oder wie sie im Strudel der Ereignisse untergehen. Die Geschichte geht ans Herz. [...] Man spürt die glaubwürdige Kommunikation zwischen Krogius, Reinhard und Krejcík, bis ins kleinste Mienenspiel. Man spürt die Vertrautheit der Künstler und ihre Empathie für die Rollencharaktere. Und zum anderen: Boesmans disharmonische, von feinsten Ziselierungen bis zu monumentalen Klangbildern changierende Tonsprache interpretiert die Kammerorchesterbesetzung der Meininger Hofkapelle unter Leitung von Mario Hartmuth empfindsam und kongenial zu Tonsprache, Mimik und Gestik der Sänger. [...]

Auszug aus der Main-Post von Siggi Seuss am 2.3.2018 

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